Den Darmkrebs gemeinsam gezielt heilen

Expertise am Endoskop: Professor Dr. med. Steffen Kunsch (Mitte) arbeitet eng mit der Teamleiterin Endoskopie, Heike Wege (links), zusammen. Gemeinsam sondieren sie ihr Arbeitsfeld im Darm der Patientin. © RMK, Fuchs

ESD als innovative endoskopische Methode am Rems-Murr-Klinikum Winnenden entfernt Polypen und Frühformen von Darmkrebs präziser / Darmkrebszentrum aktuell erneut zertifiziert
Winnenden. „Jeder Polyp wird irgendwann zum Krebs. Die Frage ist nur: wann?“ Professor Dr. Steffen Kunsch bringt die Entartung harmloser Wucherungen zu lebensbedrohlichen Karzinomen plakativ auf den Punkt. Der Chefarzt der Gastroenterologie, Allgemeinen Inneren Medizin und Geriatrie am Rems-Murr-Klinikum Winnenden kennt die Tücken dieser Wucherungen und will ihnen im Magen-Darm-Kanal keine Chancen bieten. Dieses Ziel peilt er gemeinsam mit allen Teams an, die im Klinikum gegen Krebs und für mehr Vorsorge kämpfen: „Als Mediziner können wir gutartige Geschwülste, sogenannte Adenome, und auch Frühkarzinome heilen, indem wir sie rechtzeitig entdecken und vollständig entfernen. Idealerweise minimalinvasiv-endoskopisch, denn das ist für die Patientinnen und Patienten am schonendsten.“

Das gilt für den Darm, aber auch für den Magen und die Speiseröhre, für die Professor Kunsch und sein Gastroenterologie-Team zuständig sind. Seit zwei Jahren entfernen sie auch verdächtige Polypen, die über drei Zentimeter groß sind, mit einer besonders präzisen und sicheren Technik: Diese Endoskopische Submukosa Dissektion (ESD) gegen Polypen und Krebs wird strategisch sukzessive ausgebaut und gehört zur Medizinkonzeption der Rems-Murr-Kliniken. Kunsch hat die nur in wenigen deutschen Zentren praktizierte High-End-Methode in Winnenden Ende 2020 etabliert und freut sich über den Erfolg: „2022 konnten wir mit der ESD 62 Patientinnen und Patienten helfen. Somit ist es in kürzester Zeit gelungen, die Rems-Murr-Kliniken Winnenden als Hochvolumenzentrum für diese Methode zu etablieren und somit den Einwohnern des Rems-Murr-Kreises alle modernen Therapieoptionen bereitstellen zu können.

Die Patientin, die gerade auf dem Tisch im Endoskopie-Labor liegt, spürt beim ambulanten Eingriff, der in der Regel zwei bis drei Stunden dauert, nichts: Sie bekommt eine Schlafspritze oder eine Vollnarkose und wird mit einem großen, vorgewärmten Handtuch zugedeckt, bevor das Endoskopie-Team durch den Enddarm ein Spezial-Endoskop einführt. Es kann im Darm-Dunkel perfekt sehen und dank seines feinen Messers gleichzeitig präzise schneiden. Zentimeter für Zentimeter leuchtet es die Darmschleimhaut aus und packt erkrankte Gewebestücke so flächig und vollständig, dass die Gefahr von Rückfällen (Rezidiven) gegen Null geht. Das ist für den Patienten ein großer Vorteil gegenüber anderen OP-Techniken bei Polypen und Frühkarzinomen – sofern der Operateur so erfahren und routiniert ist wie Chefarzt Professor Kunsch: Er praktiziert diese Methode seit zehn Jahren, vor Winnenden an den Universitätskliniken Marburg und Göttingen, und entwickelt die ESD dank wissenschaftlichem Background auch stetig weiter.

„Wir sind mit dem Messer unterhalb der Darmschleimhaut in der Submukosa unterwegs und damit direkt auf der dünnen Muskelschicht des Darms, die wir nicht verletzen dürfen. Zu deren Schutz heben wir das kranke Gewebe etwas an, um es zu entfernen. Deshalb kann dieses Verfahren nur von erfahrenen Operateuren durchgeführt werden“, sagt Professor Kunsch. Die Submukosa, die in den Verdauungsorganen zwischen der Schleimhaut (Mukosa) und der Muskelschicht liegt, verlieh der ESD ihren Namen.

Zusätzliche Sicherheit für die Patientinnen und Patienten bietet das Rems-Murr-Klinikum Winnenden, weil unterschiedlichste Verfahren zur Vorbeugung und Behandlung von Krebs in allen Stadien angeboten werden. „Zum einen stellt uns die moderne Endoskopie für jeden Patienten die passende minimalinvasive Methode und Kombination zur Verfügung“, sagt Professor Kunsch. „Zum anderen haben wir durch die enge Zusammenarbeitet unserer Gastroenterologie unter einem Dach mit der Fachklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie die Möglichkeit, jederzeit und teils sogar während laufendem Eingriff zu entscheiden, welche Technik individuell sinnvoll ist. Patienten sind bei uns daher in guten Händen; mit Polypen oder auch im fortgeschrittenen Krebsstadium.“

Das Knowhow verschiedener Fachrichtungen zum Thema Krebs fließt im Winnender Klinikum unter dem Dach des Onkologischen Zentrums (Onkologie = Lehre von den Geschwulstkrankheiten) zusammen – und speziell bei Darmkrebs wiederum im Darmkrebszentrum, welches von der Deutschen Krebs-Gesellschaft (DKG) aktuell wieder für seine Expertise zertifiziert wurde. In der Praxis sieht diese Kooperation verschiedener Fachbereiche konkret so aus: Einmal pro Woche kommen in der Tumorkonferenz alle Experten zusammen, um Diagnosen und Therapien von Patienten zu besprechen.

Bei Krebs hat ein interdisziplinäres Zentrum wie in Winnenden entscheidende Vorteile. Geballte Expertise rettet Menschen und schafft Lebensqualität; gerade bei Darmkrebs, der in Deutschland bei Frauen die zweithäufigste, bei Männern die dritthäufigste Krebsart ist. „Wir haben in Deutschland aktuell rund 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr, und die Sterblichkeitsrate ist dank der Vorsorgekampagnen und der besseren Therapiemethoden deutlich gesunken in den vergangenen Jahren“, sagt Professor Kunsch und lobt, dass Angebote zur Vorsorge-Darmspiegelung immer besser angenommen werden. „Vom 50. Lebensjahr an haben alle gesetzlich krankenversicherten Männer einen Anspruch auf die Vorsorgeuntersuchung gegen Darmkrebs, mit 55 Jahren können sich Frauen erstmals auf Krankenkassenkosten untersuchen lassen“, sagt Professor Kunsch. „Mit 50 steigt das Erkrankungsrisiko deutlich, wobei fünf Prozent aller Darmkrebs-Neuerkrankungen bereits unter 50 Jahren auftreten. Umso wichtiger ist, dass ab 50 bzw. 55 wirklich alle Menschen zur Darmspiegelung gehen.“

Hilfe bei Darmkrebs und Vorstufen: Kontakt zu den Experten
Der Weg zu den Darmkrebs-Experten im Rems-Murr-Klinikum Winnenden führt meist über einen niedergelassenen Facharzt, der bei einer Routine-Darmspiegelung Polypen entdeckt, die je nach Größe entfernt werden müssen. Per Überweisung können Patientinnen und Patienten dann im Klinikum einen Termin zur Sprechstunde vereinbaren: Tel. 07195 591-39320 oder https://www.rems-murr-kliniken.de/medizin/winnenden/gastro-innere-geriatrie-alt.html