Appell von Kreis und Kliniken: Die kassenärztliche Notfallpraxis muss wieder öffnen

Der Landrat und die Rems-Murr-Kliniken fordern die Kassenärztliche Vereinigung zum sofortigen Handeln auf / Zurück zum erfolgreichen Ein-Tresen-Modell
Winnenden/Schorndorf. Es war ein hartes Urteil, welches das Bundessozialgericht am 24. Oktober 2023 gesprochen hatte, und noch härter fiel die Reaktion der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg aus: Die KVBW zog landesweit die Notbremse bei der Beschäftigung sogenannter Poolärzte, die auch im Rems-Murr-Kreis bis dato den hausärztlichen Bereitschaftsdienst in insgesamt drei Notfallpraxen übernahmen. „Seit dieser Notbremse ist die sektorenübergreifende Notfallversorgung stark eingeschränkt, und das geht zu Lasten unserer Bürgerinnen und Bürger“, kritisieren Landrat Dr. Richard Sigel und der Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken, André Mertel in einem Schreiben an den Vorstandsvorsitzenden der KVBW, Dr. Karsten Braun. Darin zeigen sie die Folgen dieser drastischen Maßnahme auf und fordern eine Rückkehr zum bewährten Ein-Tresen-Modell der Notfallversorgung, das dank der Unterstützung sogenannter Poolärzte erfolgreich arbeiten konnte: „Mit diesem System, das sowohl für die Kliniken als auch für die niedergelassenen Ärzte gut funktioniert hat, müssen die kassenärztlichen Notfallpraxen im Kreis ihren vollen Betrieb wieder aufnehmen dürfen.“

Was war passiert, und was muss jetzt passieren? Der Verein Notfallpraxis Rems-Murr e.V., der die kassenärztliche Notfallversorgung im Kreis organisiert, musste aufgrund des BSG-Urteils seine Notfallpraxis in der Rems-Murr-Klinik Schorndorf schließen. Am Rems-Murr-Klinikum Winnenden musste die Notfallpraxis ihre Öffnungszeiten reduzieren und außerdem das chirurgisch-orthopädische Angebot streichen. „Das führt dazu, dass unsere seit 2017 perfekt funktionierende wohnortnahe Notfallversorgung im sogenannten ‚Ein-Tresen-Modell‘ aus Notfallpraxen der Kreisärzteschaften und Notaufnahmen der Kliniken selbst in Not geraten könnte“, kritisieren Sigel und Mertel. „Ein Notfall-Tourismus von Praxis zu Praxis benachteiligt Patientinnen und Patienten, die weniger mobil sind, zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder anderer Einschränkungen.“

Die Rems-Murr-Kliniken spüren die Notbremse daran, dass zeitweise deutlich mehr Patientinnen und Patienten in ihre Notaufnahmen kommen und deshalb mitunter längere Aufenthaltszeiten haben. „Das ist für uns nicht hinnehmbar im Interesse unserer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung, die allen am System Beteiligten am Herzen liegen muss“, heißt es im gemeinsamen Schreiben an die KVBW. Konkret sind in der Klinik-Notaufnahme Schorndorf im Schnitt der vergangenen Wochen und Monate 30 Prozent mehr Patientinnen und Patienten betreut worden. In Winnenden ist die Auslastung der Klinik-Notaufnahme um 10 Prozent gestiegen; zu Spitzenzeiten um 100 Prozent. „Diese Mehrbelastung ist für unsere Mitarbeitenden auf Dauer ebenso wenig tragbar wie für die Menschen, die bei uns sieben Tage in der Woche rund um die Uhr Hilfe erwarten“, konstatieren Sigel und Mertel. „Und diese Hilfe bekommen sie natürlich auch, weil unser Klinik-Personal die aktuelle Mehrbelastung nach besten Kräften kompensiert.“

75.000 Notfälle versorgen die Rems-Murr-Kliniken pro Jahr an beiden Standorten bereits jetzt, wobei eine längerfristige Einschränkung der Notfallpraxen die im Kreis bisher hervorragend funktionierende sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung in Schieflage bringen könnte.

„Das Einfrieren unseres erfolgreichen Ein-Tresen-Modells würde bedeuten, dass man ein klug durchdachtes System bewusst aufs Spiel setzt“, warnen Landrat und Klinik-Geschäftsführer – und finden das „umso unverständlicher, weil dieses Modell aktuell in der Debatte um die Krankenhausreform als Vorbild dient, welches bundesweit flächendeckend ausgerollt werden soll. Hier im Rems-Murr-Kreis haben wir dieses Zusammenspiel bereits, und es funktioniert seit 2018 bestens für alle Beteiligten. Deshalb appellieren wir dringend im Interesse der Bürger und einer sicheren, zukunftsorientierten Gesundheitsversorgung: Die Notfallpraxis in Schorndorf muss zeitnah ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen dürfen. Die Notfallpraxis in Winnenden muss zu ihren gewohnten Öffnungszeiten für Notfallpatienten zurückkehren und auch wieder orthopädische Notfälle versorgen dürfen.“

Landrat Dr. Sigel und Geschäftsführer Mertel betonen, dass die Notaufnahmen der Kliniken ihren Versorgungsauftrag auch in der aktuellen Lage voll erfüllen und für Hilfesuchende uneingeschränkt da sind, sowohl in Winnenden als auch in Schorndorf. Wichtig ist beiden außerdem, dass der Kreis und seine Kliniken nach wie vor Seite an Seite mit den niedergelassenen Ärzten stehen. Auch deshalb appellieren alle Beteiligten mit Nachdruck an die zuständige KVBW, denn nur sie kann jetzt die festgefahrene Notbremse in der Kassenärztlichen Notfallversorgung lösen: „Lassen Sie zu, dass der Verein Notfallpraxis Rems-Murr e.V. und unsere Rems-Murr-Kliniken wieder die bewährte Zusammenarbeit auf voller Breite aufnehmen dürfen. Machen Sie es möglich, dass unser gut etabliertes Ein-Tresen-Modell wieder Normalbetrieb aufnehmen und im Zuge der Krankenhausreform als gutes Vorbild für die bundesweite Notfallversorgung dienen kann.“

Die aktuellen Notfallpraxis-Zeiten im Rems-Murr-Kreis

Notfallpraxis Backnang
Montag bis Freitag: 18.00 bis 21.00 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertage: 8.00 bis 20.00 Uhr

Notfallpraxis Winnenden (im Rems-Murr-Klinikum Winnenden): 
Montag, Dienstag, Donnerstag: 18.00 bis 22.00 Uhr
Mittwoch, Freitag: 14.00 bis 22.00 Uhr 
Samstag, Sonntag, Feiertage: 8.00 bis 15.00 Uhr und 15.00 bis 22.00 Uhr 
Die chirurgische und orthopädische Notfallpraxis wird geschlossen. Die Kinder-Notfallpraxis bleibt wie gewohnt geöffnet.

Die Notaufnahme im Rems-Murr-Klinikum Winnenden ist wie gewohnt 365 Tage und 24 Stunden täglich für Notfälle geöfffnet.

Notfallpraxis Schorndorf (in der Rems-Murr-Klinik Schorndorf): 
Diese kassenärztliche Notfallpraxis ist geschlossen.
Die Notaufnahme in der Rems-Murr-Klinik Schorndorf ist wie gewohnt 365 Tage und 24 Stunden täglich für Notfälle geöffnet.

Wann sollten Sie die Notfallpraxis aufsuchen? 
Wenn Sie nachts, am Wochenende oder an Feiertagen einen Arzt brauchen und aufgrund der Beschwerden nicht bis zur nächsten Sprechstunde Ihres Hausarztes warten können. Die Notfallpraxen kümmern sich um Menschen mit Erkrankungen, die nicht bis zur nächsten regulären hausärztlichen Sprechstunde warten können. Infos unter Tel. 116117, https://www.notfallpraxis-rems-murr.de/ oder https://www.116117.de

Wann sollten Sie die Notaufnahme in der Klinik aufsuchen? 
Die Notaufnahme der Klinik ist für dringliche, unaufschiebbare Notfälle zuständig.
Informationen dazu finden Sie unter https://www.rems-murr-kliniken.de/service/im-notfall.html

Wann müssen Sie sofort die Notruf-Tel. 112 des Rettungsdienstes anrufen, der Sie in die Klinik-Notaufnahme bringt?
In lebensbedrohlichen Fällen und bei akuter Gefahr bitte Tel. 112 wählen.